Die Fähigkeit, sich erholen zu können, wenn man sehr beansprucht ist, findet in unserer leistungsorientierten Gesellschaft oft keine Anerkennung. Ein großer Fehler, denn es wird immer noch unterschätzt, wie wichtig Erholung, regelmäßige Pausen und selbstfürsorgliches Verhalten für unsere Leistungsfähigkeit sind. Gerade habe ich dazu ein Seminar „Regenerationskompetenz und Selbstfürsorge“ durchgeführt. Mein Auftraggeber hatte dieses eintägige Seminar mit zwei Online-Refresh-Terminen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements für seine Mitarbeitenden angeboten. Mich hat dieses Seminar wieder sehr inspiriert und daher möchte ich die wichtigsten Erkenntnisse teilen.
Was hindert uns daran, ein selbstfürsorgliches Pausenverhalten bei der Arbeit an den Tag zu legen? In den Gesprächen mit Seminarteilnehmenden kristallisieren sich meist 3 Themenbereiche heraus:
· Einstellung
Oft ist das Verständnis abhanden gekommen, dass ein Mensch ein biologisches Wesen und keine Maschine ist.
Unser Organismus funktioniert analog. Er braucht den Wechsel von Anspannung und Entspannung, um in Balance zu bleiben. So wechselt der Organismus nach ca. 60-90 Minuten Anspannung von sich aus in den Entspannungsmodus, um Energien und Ressourcen neu aufzuladen. Signale wie z.B. Gähnen, nachlassende Aufmerksamkeit, Konzentrationsfehler, gereizte Stimmung, Durst, Appetit oder auch das dringliche Bedürfnis, zur Toilette zu gehen, zeigen uns ganz deutlich, dass eine Erholungspause angesagt ist.
· Glaubenssätze
Sich innerhalb eines normalen Arbeitsalltags eine Erholungszeit zu nehmen, ist nur unter bestimmten Voraussetzungen statthaft, z.B. wenn ein Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde oder wenn es in den „Erholungsurlaub“ geht.
Aber hat man sich nach einer Stunde hochkonzentrierter Arbeit eine Pause verdient? Viele befürchten, dass sie nach einer Pause im Arbeitsalltag nicht mehr an die Leistungen anschließen können, oder aber, dass sie nur als eingeschränkt leistungsfähig wahrgenommen werden. In den Seminaren höre ich dann folgende Sätze:
„Begonnenes muss erst abgeschlossen werden“, „Erst muss alles meinen Ansprüchen genügen“, „Pause erst, wenn keiner mehr etwas von mir will“ .
Viele Mitarbeitende lassen ihre Pausen ausfallen, weil sie glauben zu viele Aufgaben und Verpflichtungen zu haben, aber auch weil sie davon überzeugt sind, dass diese nicht notwendig wären – welch ein Trugschluss!
Häufig stellt sich in Seminargesprächen heraus, dass diese Glaubenssätze auch zuhause und in der Freizeit greifen. Eine gefährliche Leistungsspirale kann die Folge sein, die keinen Platz mehr für Erholungs- und Regenerationsmaßnahmen lässt. Schlafstörungen, Verdauungsstörungen, Grübeln und Unzufriedenheit sind oft erste Anzeichen für eine Erschöpfung.
· Erholungskompetenz
Wie wird eine Pause erholsam? Diese Frage zu beantworten, fällt vielen schwer. Die Erholungsforschung sagt: viele kurze Pausen sind besser als eine lange. Wichtig ist die bewusste Entscheidung für eine Pause. Kleine Übergangsrituale von der Arbeit zur Pause und wieder zurück unterstützen dabei, schnell in den passenden Modus zu kommen. Selbstregulative Techniken, wie Selbstmassage, Akupressur, mentale Übungen und Atemübungen machen sensibler für das Erkennen von Belastungen und den besseren Umgang damit. Untersuchungen zeigen, dass mit diesen Techniken besser auf körperliche wie emotionale Befindlichkeiten reagiert werden kann, alltägliche Probleme gelassener angegangen, schwierigere Zeiten erfolgreicher bewältigt und Stresszeiten gesünder überstanden werden können.
Zurück zu meinem Seminar: durch Krankheitsausfälle reduzierte sich die Anzahl der Teilnehmenden auf fünf und was soll ich sagen – es war perfekt, gerade weil die Gruppe so klein war! Wir hatten ausreichend Zeit für intensive Gespräche, Reflexionsphasen und für das praktische Üben selbstregulierender Techniken im Arbeitsalltag. Jede/r ging mit einer Regenerationsstrategie für die nächsten Wochen nach Hause und erprobt nun bis zum ersten Online-Treffen die Maßnahmen. So bleibt es nicht nur bei Vorsätzen, es kommen Veränderungen in Gang. Ich freue mich jetzt schon auf die Erfahrungsberichte.